Felix Nussbaum „Der Flüchtling“ (1) (Europäische Vision), 1939, Felix-Nussbaum-Haus im Museumsquartier Osnabrück, Dauerleihgabe der Felix Nussbaum Foundation
Das Felix-Nussbaum-Haus bewahrt die weltweit größte Sammlung von Werken Felix Nussbaums. Im Zentrum der aktuellen Präsentationen stehen Themen aus dem Werk Nussbaums, die von zeitloser und existentieller Bedeutung sind. Diese werden ausgewählten Selbstbildnissen Nussbaums gegenübergestellt und treten so in einen Dialog mit der Selbstreflektion des Künstlers im Porträt.
Die Ausstellung im Felix-Nussbaum-Haus stellt anhand acht von Themen wie Heimat, Exil, Identität oder Widerstand rund 70 Bilder des Malers vor.
PROLOG
Das Gemälde „Die beiden Juden“ (1926) ist eines der frühesten Selbstbildnisse Nussbaums, das zugleich einen wesentlichen Aspekt seiner Malerei verdeutlicht: die Selbstvergewisserung über den Spiegel der Kunst. In dem Bildnis formuliert Nussbaum ein klares Bekenntnis zur jüdischen Religion. Der wache und zugleich skeptische Blick des Malers belegt die kritische Selbstbefragung der eigenen Identität im Kontext der jüdischen Tradition. In den wechselnden und zunehmend existenzbedrohenden Lebenssituationen stellt Nussbaum sich immer wieder der kompromisslosen Frage: Wer bin ich und wie reagiere ich?
HEIMAT UND FAMILIE
Nussbaum erlebt in seiner Heimat Osnabrück eine wohlbehütete Kindheit und Jugend. Geborgenheit und Sehnsucht, aber auch die Suche nach der eigenen Identität spiegeln sich in seinen Bildern wider, in denen er die Orte seiner Jugend und die Bindung an seine Familie reflektiert.
ORIENTIERUNG
Die künstlerischen Anfänge Nussbaums sind von der Kunst Vincent van Goghs (1853-1890) geprägt. In Berlin orientiert er sich zudem an neuen künstlerischen Vorbildern. So sind seine humoristischen Bildideen vor allem von der naiven Malerei des Franzosen Henri Rousseau (1844-1910) beeinflusst. 1932 reist Nussbaum als Studiengast der Villa Massimo nach Rom. Hier inspirieren ihn die Relikte der antiken Kultur zu „künstlerischen Narrenstreichen“ (Felix Nussbaum), mit denen er seine ironisch gefärbte Kritik am akademischen Kunstideal formuliert.
EXIL
Von Italien aus reist Nussbaum im Februar 1935 mit einem Touristenvisum ins belgische Ostende. Hier bekommt er zunehmend die Bedingungen der Emigration zu spüren. In seinen Bildern verarbeitet er die Erfahrung der Heimatlosigkeit, die fehlende Perspektive und das Gefühl der Stagnation. Dabei behält er selbst unter den Bedingungen des Exils mitunter die für seine Kunst typische Mischung von Heiterkeit und Melancholie bei.
FLUCHT
Nach Ausbruch des Krieges 1939 ist Nussbaum als Emigrant in Belgien nicht mehr sicher. In seinen Bildern thematisiert er das Fehlen eines Zufluchtsortes und die Verzweiflung über den Verlust der Heimat. Nachdem er der Gefangenschaft im Lager Saint-Cyprien durch Flucht entkommen ist, stellt sich ihm die immer drängendere Frage „Flüchten oder Ausharren?“ unter der deutschen Besatzung in Belgien aufs Neue.
IDENTITÄT
Die Befragung der eigenen künstlerischen Identität spielt eine zentrale Rolle in Nussbaums Werk. Der Bogen spannt sich vom frühen „Selbstbildnis mit grünem Hut“ (1927) im bürgerlichen Habitus bis zum „Selbstbildnis mit Judenpass“ (um 1943).
Die Verunsicherung der Identität im Exil verarbeitet er in einer Reihe von Maskenbildern. Im Stillleben „La nature morte de Felix Nussbaum“ (1940) beschäftigt er sich mit der bedrohten künstlerischen Identität im Kontext des Krieges. Im „Selbstbildnis mit Judenpass“ thematisiert Nussbaum die jüdische Identität als gewaltsame Fremdbestimmung durch die menschenverachtende Rassenideologie der Nationalsozialisten und wehrt sich zugleich gegen die ihm aufgezwungene Opferrolle.
In einer Serie von Selbstporträts nimmt Nussbaum 1936 rückblickend die Stationen seiner Emigration in den Blick und reflektiert in den Gesichtsstudien die Auswirkungen der erzwungenen Ortswechsel auf die eigene Befindlichkeit.
ISOLATION
1943 taucht Felix Nussbaum in einem Mansardenversteck in der Rue Archimède unter. Seine letzten Arbeiten entstehen jedoch in einem Ausweichquartier in der Rue Général Gratry 23 in Brüssel. In einfühlsamen Figurenbildern zeigt Nussbaum die Isolation und Ohnmacht der untergetauchten Jüdinnen und Juden im Angesicht des Todes.
TRAUER UND ANGST
Themen der Trauer und Angst beschäftigen Nussbaum bereits in Berlin um 1930. Mit ihnen verarbeitet er die eigenen Ängste vor dem Sterben. Nach Ausbruch des Krieges verdichtet Nussbaum die Themen in allegorischen Figurenbildern. In der lebensbedrohlichen Situation im Versteck werden die düsteren Todesvisionen von der Realität eingeholt.
WIDERSTAND
Das Malen im Versteck wird für Nussbaum zu einem Akt des Widerstands. In seinem programmatischen „Selbstportrait an der Staffelei“ versichert er sich der Selbstbestimmung als Maler, der trotz Isolation und Todesbedrohung an der Malerei festhält. Mit dem eigenen Bildnis im Gemälde „Die Verdammten“ oder dem Orgelmann als sein alter ego verweist Nussbaum auf seine Rolle als Künstler, der mit seinen Bildern für die Nachwelt Zeugnis ablegt. Bis zuletzt glaubt Nussbaum an die Kraft der Kunst: „Wenn ich untergehe, lasst meine Bilder nicht sterben – zeigt sie den Menschen“, lautet das Vermächtnis des Malers.
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