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3. Die letzte Chance: auswandern nach Amerika!

Kladde eines Auswandereragenten für Schiffspassagen in die USA (1865-1893) Copyright Foto: Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück, L 170/1

Auf den ersten Blick ist es nur altes, vergilbtes, mit Tinte beschriebenes Papier. Doch bei näherer Betrachtung steckt weit mehr dahinter. Das Kontobuch des Auswandereragenten Wehberg im Kulturgeschichtlichen Museum dokumentiert, wie im 19. Jahrhundert während der großen deutschen Amerikaauswanderung ganze Landstriche im Osnabrücker Norden regelrecht entvölkert wurden.

Im 19. Jahrhundert war die Bevölkerung im deutschen Raum stark in Bewegung. Im Zuge der Industrialisierung zogen die einen vom Land in die Städte und fanden dort Arbeit in den neu entstehenden Fabriken, sorgten unter schwierigen Arbeitsbedingungen für wirtschaftliches Wachstum. Die anderen wanderten aus. Zwischen 1815 und 1914 verließen 5,5 Millionen Deutsche ihre Heimat und suchten in der Fremde eine neue Zukunft. Insbesondere die Heuerleute sahen in der Auswanderung oft ihre letzte Überlebenschance. In der Regel waren die USA das Ziel. Nordamerika nahm in drei großen Auswanderungswellen Menschen auf: 1846 bis 1857, 1864 bis 1873 und 1880 bis 1893. Erst das Wirtschaftswachstum der Jahrzehnte vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendete die Massenauswanderung.

Osnabrück lag in einem größeren Auswanderungsgebiet, das Südoldenburg, das südliche Emsland, das Osnabrücker und das Tecklenburger Land sowie den Bielefelder Raum umfasst. Manche Gemeinden wurden regelrecht "entvölkert". Damme, Zentrum dieser nordwestdeutschen Auswanderungszone, verlor in den Jahren 1828 bis 1890 über 27% seiner Bevölkerung, das benachbarte Neuenkirchen 40%. Die Stadt Osnabrück war als wachsender Industriestandort weniger betroffen.

Von dieser starken Auswanderung profitierten Leute wie der Bersenbrücker Auswanderungsagent Heinrich Wehberg. Er vermittelte über die Bremer "Schiffs- und Passagierexpedition Lüdering & Co." Passagen nach Baltimore, New York und New Orleans. In seiner Kladde registrierte der Kaufmann die Daten aller vermittelten Auswanderer, die entweder mit Segel- oder bereits mit den damals modernen Dampfschiffen den Atlantik überquerten.

Hinter Wehbergs nüchterner kaufmännischer Auflistung verkaufter Schiffspassagen verbergen sich menschliche Schicksale. Die wiederkehrenden Namen belegen, dass neben Einzelpersonen ganze Familien auswanderten. Sie brachen aus wirtschaftlicher Not ihre Zelte in der Region ab, um in den USA "ihr Glück" zu versuchen. Ausgewanderte Verwandte oder Bekannte hatten ihnen vielleicht vom "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" vorgeschwärmt. Doch was sie dort wirklich zu erwarten hatten, wussten sie nicht, als sie ihr Schiff in Bremerhaven bestiegen. Die Auswanderung war ein großes Wagnis.


Steckbrief

Titel: Kladde der Auswanderungsagentur Wehberg
KünstlerIn/HerstellerIn: Heinrich Wehberg
Material/Technik: Kontobuch, paginiert (94 Seiten), handschriftlich geführt
Herstellungsort: Bersenbrück Datierung 1865-1893
Maße: 33 x 21 cm
Aufbewahrungsort: Osnabrück, Kulturgeschichtliches Museum, L 170/1 Dauerleihgabe Karl Julius Tahmann, Neuenkirchen-Vörden

Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in den USA
www.dausa.de/

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