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16. „Jeder ist seines Glückes Schmied.“

Silberpokal hergestellt von Johann Anton Gunzhauser (1798 - nach 1845), Osnabrück 1839

Das Sprichwort liegt nah bei diesem Pokal, der aus der Werkstatt eines Osnabrücker Gold- und Silberschmiedes stammt. Das Gefäß verbindet die Geschichte zweier Männer, die offensichtlich recht erfolgreich durch ihr jeweiliges Leben gekommen sind. Dazu haben sie vermutlich ihren Teil beigetragen – wenngleich immer auch gesellschaftliche Umstände das „Glück“ oder „Unglück“ der Menschen wesentlich beeinflussen können.

Der 18 cm hohe silberne Trinkpokal mit seiner glockenförmigen Kuppa von 8,5 cm Durchmesser und der reich ziselierten floralen Ornamentik trägt die Inschrift „Dem würdigen Jubelgreise | Med. Rth Dr Ehmbsen | den 1. April | 1839.“ Sie verweist auf ein wichtiges Ereignis im Leben des Osnabrücker Arztes Christian Friedrich Ehmbsen. Am 1. April 1789, kurz nach dem bestandenen Examen – und wenige Monate vor Ausbruch der Französischen Revolution –, wurde der 23jährige Osnabrücker promoviert. Als Ehmbsen dieses Ereignis 50 Jahre später noch einmal in festlichem Rahmen feierte, konnte er auf eine erfolgreiche Karriere als Arzt zurückblicken.

Am 7. März 1766 als Sohn des Hofapothekers Rudolf Joachim Ehmbsen in der Johannisstraße geboren, wurde sein Interesse für die Medizin schon früh durch das häusliche Umfeld geweckt. Nach dem Abitur am Ratsgymnasium studierte er 1785–1788 in Göttingen. Während sein jüngerer Bruder wie sein Vater in Straßburg zum Apotheker ausgebildet wurde, vermutlich, um den väterlichen Betrieb zu übernehmen, ging Christian Friedrich Ehmbsen nach seiner Promotion zunächst ein knappes Jahr lang an die Hochschule in Wien, um sich dort medizinisch fortzubilden. Von Wien aus bereiste er anschließend Ungarn und machte sich anschließend gemeinsam mit einigen jungen Arztkollegen auf den Heimweg. Dabei besuchten sie in Jena Friedrich Schiller, mit dem einer der Mitreisenden zusammen die Schule besucht hatte. Die Chronik der Familie Ehmbsen von 1870 berichtet von einem geselligen Abend: „in heiterster Laune“ hätten sich „die fröhlichen Zecher erst in später nächtlicher Stunde“ getrennt.

Zurück in Osnabrück, ließ sich Ehmbsen als einer von insgesamt sechs Ärzten nieder. 1806 wurde er Landphysikus und führte gemeinsam mit Stadtphysikus Droop im Osnabrücker Raum erfolgreich die Pockenimpfung ein. 1815 wurde er zum Hofmedikus ernannt, 1833 zum Medizinalrat. Nach der Niederlegung seiner Ämter verstarb er am 16. September 1851 im Alter von 85 Jahren.

Zu den vielen „Zeichen der Anerkennung und Liebe“, die am besagten 1. April 1839 dem damals 73jährigen anlässlich seines Jubiläums laut Familienchronik „gespendet“ wurden, gehörten neben der Erneuerung seines Doktordiploms durch die Göttinger Georg-August-Universität und den vielen Glückwünschen auch Ehrengeschenke wie der Silberpokal. Während der Stifter des Pokals bis heute unbekannt ist, benennen die Stempelmarken am Bodenrand des Gefäßes die Werkstatt, in der es hergestellt bzw. bearbeitet worden ist. Die oben zitierte Inschrift hat der Osnabrücker Goldschmied Johann Anton Gunzenhauser in den Pokal graviert.

Geboren 1798 in Geislingen, erlernte Gunzenhauser das Goldschmiedehandwerk bei dem dort ansässigen Goldschmied Franz Nitsche. Als Geselle war er drei Jahre lang „auf der Walz“ und arbeitete in Stuttgart, München, Wien und Prag, bevor er nach Osnabrück gelangte. Dort fertigte er 1828 sein Meisterstück und heiratete am 8. Mai desselben Jahres in der Marienkirche Johanna Marie Ritte genannt Wedemeyer. Am 30. Dezember 1828 leistete er den Osnabrücker Bürgereid. Gunzenhausers wohnten fortan in der Großen Straße Nr. 72.

Wahrscheinlich wäre die Familie in Osnabrück geblieben, und Johann Anton Gunzenhauser hätte außer den Stätten seiner Wanderjahre als Goldschmiedegesell nicht mehr viel von der Welt gesehen. Doch es sollte anders kommen. Am 19. Januar 1842 starb seine Ehefrau im Alter von 37 Jahren bei der Geburt des zweiten Sohnes im Kindbett; eine damals aufgrund der noch mangelnden medizinischen Hygiene verbreitete Todesursache für Frauen. Johann Anton Gunzenhauser gab seinem Leben daraufhin noch einmal eine Wende. Wie viele Witwer seiner Zeit suchte er schnell eine neue Frau, um zu verhindern, dass seine fünf Kinder – die zwei Jungen Anton Carl Ludwig (* 1830) und Georg Friedrich Ludwig (* 1842) sowie die drei Mädchen Marie Juliane Christine (* 1831), Johanna Sophie Elise (* 1833) und Caroline (* 1835) – verwahrlosten.

Gunzenhauser fand diese Frau. Sie hieß Vornholt und wanderte 1844 mit seiner finanziellen Unterstützung nach Nordamerika aus. Der Goldschmied folgte ihr am 10. Mai 1845 mit den fünf Kindern. Die genauen Gründe für die Auswanderung sind nicht geklärt. Anders als viele Auswanderer der Zeit, die dem vermeintlichen Versprechen Nordamerikas auf Arbeit, Landbesitz oder gar Gold folgten, verließ Gunzenhauser Osnabrück nicht aus Not oder Armut. Das beim Antritt seiner Reise erfasste Vermögen von 2.000 Reichstalern zeigt deutlich, dass nicht finanzielle Probleme der Grund für seine Ausreise waren. Den Auswandererakten ist allerdings zu entnehmen, dass Gunzenhausers Verhalten von seiner Umwelt nicht akzeptiert wurde. Vielmehr wurde „die Vornholt“ in ein schlechtes Licht gerückt, als hätte sie die Situation des ‚ehrbaren Handwerkers‘ Gunzenhauser ausgenutzt. In einer Akte heißt es dazu:

„Ein in seinem Fache geschickter Mann, der während seines Etablissments hieselbst seine Vermögensumstände sehr verbessert hatte, leider aber die Thorheit beging, mit einer Vornholt einen Umgang zu hegen, weshalb er sich manche unangenehme Berührung zuzog, und die ihn am Ende dahin stimmte, der Vornholt, welche bereits 1844 auf seine Kosten ausgewandert war, zu folgen, und sein Geschäft dort fortzuführen."

Damit verlieren sich die Spuren der Goldschmiedefamilie Gunzenhauser. In der Ferne eine neue Zukunft aufzubauen, zeugt von Selbstbewusstsein und Mut. Die vorausgereiste Vornholt konnte vor Ort schon einmal die Bedingungen prüfen und Gunzenhauser in Briefen darüber berichten. Vielleicht war sie selbst schon Bekannten oder Verwandten gefolgt. Sog. Kettenwanderungen waren durchaus üblich. Die Berichte von Ausgewanderten an die Daheimgebliebenen motivierten viele ebenfalls zur Auswanderung. Aufgrund der vorhandenen finanziellen Mittel ist es Gunzenhauser zudem vermutlich gut gelungen, sich in Amerika zu etablieren. Noch heute lässt sich der Name Gunzenhauser/Gunzenhausen in den USA nachweisen, allerdings konnte eine Verbindung zu den Osnabrücker AuswanderInnen von 1844/45 bislang nicht nachgewiesen werden.

(Emil Schoppmann)


Steckbrief

Titel: Silberpokal
KünstlerIn/HerstellerIn: Johann Anton Gunzenhauser (1798–nach 1845)
Material/Technik: Silber, innen vergoldet; Fuß mit Gips gefüllt
Herstellungsort: Osnabrück
Datierung: 1839 (Datierung der Inschrift)
Maße: Höhe: 18 cm; Durchmesser 8,5cm (Kuppa)
Bemerkungen: Dem Arzt Christian Friedrich Ehmbsen (1766–1851) am 1. April 1839 zum 50jährigen Doktorjubiläum gewidmet.
Aufbewahrungsort: Osnabrück, Kulturgeschichtliches Museum, L 217

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